Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesminister der Finanzen Christian Lindner gab „t-online“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Florian Schmidt und Christoph Schwennicke:

Frage: Herr Lindner, Sie und Wirtschaftsminister Robert Habeck beklagen, Deutschland sei nicht mehr wettbewerbsfähig. Warum reden Sie wie zwei Oppositionspolitiker, obwohl Sie selbst die Misere verantworten?

Lindner: Das weise ich zurück. Die strukturellen Schwächen von Bürokratie, Steuerlast, langsamer Digitalisierung und vernachlässigter Infrastruktur sind wohl kaum während der vergangenen 24 Monate entstanden. Sie treten nur jetzt sehr deutlich zu Tage, weil äußere Faktoren zusätzlich belasten. Ich nenne den in der Inflation deutlich gestiegenen Zins, die Nachfrageschwäche Chinas oder die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Frage: Das heißt, Schuld haben, wie so oft in der Politik, die Vorgängerregierungen.

Lindner: Wem helfen Schuldzuweisungen? Sie führen unser Gespräch in die falsche Richtung. Mir geht es um die Frage: Wie entfesselt Deutschland wieder seine wirtschaftliche Substanz? Wir sind ja alles andere als ein schwaches Land. Wir haben qualifizierte Menschen, privates Kapital und viele starke Unternehmen. Uns fehlt derzeit aber die nötige Dynamik. Deutschland braucht deshalb eine Politik für wirtschaftlichen Aufschwung.

Frage: Womit Sie immer noch klingen wie ein Oppositionspolitiker. Wo ist Ihr Schlachtplan für diesen Aufschwung?

Lindner: Nein, die Regierung kann Erfolge vorweisen. Zu Jahresanfang wurden die Bürger um 15 Milliarden Euro entlastet. Die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe sinkt auf das europäische Minimum. Wir investieren in Deutschland zudem auf Rekordniveau – beispielsweise in digitale Infrastruktur und die Bahn. Zudem haben wir ein Bürokratieabbaupaket beschlossen, das die Bürokratiekosten auf den niedrigsten Stand senken wird, seit diese ermittelt werden.

Frage: Aber?

Lindner: Es reicht nicht. Andere in der Welt sind in den vergangenen Jahren besser geworden. Wir müssen das Ambitionsniveau in der Wirtschaftspolitik steigern.

Frage: Eigentlich die Aufgabe des Wirtschaftsministers, mit dem Sie Ihre Meinung gerade hauptsächlich in den Medien austauschen. Reden Sie zu wenig miteinander und zu viel übereinander? 

Lindner: Es besteht kein Mangel an Austausch zwischen Olaf Scholz, Robert Habeck und mir. In der Demokratie findet Meinungsbildung aber auch öffentlich statt. Allerdings bekenne ich, dass mich das öffentliche Bild der Koalitionbisweilen irritiert.